Familienrecht

AG Riesa · Beschluss vom 26. April 2017 · Az. 9 F 343/15

Tenor

  1. Auf die Erinnerung des Verfahrensbeistands wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Riesa vom 29.12.2016 abgeändert. Auf seinen Antrag vom 06.07.2016 wird die ihm aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 550,00 EUR festgesetzt.
  2. Gerichtskosten sind nicht angefallen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
  3. Die Beschwerde gegen diese Entscheidung wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Erinnerungsführer wehrt sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf Festsetzung einer Vergütung als Verfahrensbeistand durch die Rechtspflegerin des Amtsgerichts – Familiengericht – Riesa.

Der Erinnerungsführer war ursprünglich in einer Kindschaftssache des Amtsgerichts – Familiengericht – Meißen mit denselben Beteiligten wie hier zum Verfahrensbeistand bestellt worden (Az.: 8 F 201/13). Ihm wurde damals der erweiterte Aufgabenkreis des § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG übertragen und zugleich wurde festgestellt, dass er seine Tätigkeit berufsmäßig ausübt (Beschluss vom 05.04.2013). Am 22.03.2013 erließ das Amtsgericht – Familiengericht – Meißen eine einstweilige Anordnung, mit der es den Eltern des betroffenen Kindes Teile der elterlichen Sorge entzog, das Jugendamt zum Ergänzungspfleger bestellte und die Herausgabe des Kindes anordnete. Anschließend wurde unter demselben Aktenzeichen ein psychiatrisches Sachverständigengutachten eingeholt und fand ein Erörterungstermin statt, in dem das Verfahren schließlich beendet wurde (Beschluss vom 22.04.2014). Die dem Erinnerungsführer für dieses Verfahren aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung wurde am 07.01.2014 auf 550,00 EUR festgesetzt. Sein weitergehender Antrag wurde vom Amtsgericht Meißen mit der Begründung zurückgewiesen, dass die ihm zustehende Vergütung bereits ausgezahlt worden sei.

Mit richterlicher Verfügung vom 13.04.2015 forderte das Familiengericht in Meißen das zuständige Jugendamt unter einem neuen Aktenzeichen zu einer Stellungnahme zu der Frage auf, ob ein Bedarf zur Änderung der familiengerichtlichen Maßnahme aus dem Jahr 2014 gesehen werde. Im Folgenden wurde bekannt, dass das betroffene Kind inzwischen in einem Kinderheim in Großenhain wohnt. Mit Beschluss vom 10.09.2015 gab das Amtsgericht – Familiengericht – Meißen das Verfahren daraufhin an das Amtsgericht – Familiengericht – Riesa ab, wo die Akten am 28.09.2015 eingingen. Das Verfahren wird seitdem unter dem Aktenzeichen 9 F 343/15 geführt.

Mit Bericht vom 24.09.2016 regte das Jugendamt die Prüfung weitergehender familiengerichtlicher Maßnahmen an. Daraufhin setzte das Familiengericht in Riesa einen Erörterungstermin an und lud auch den Erinnerungsführer zu diesem Termin. Das Verfahren endete nach Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens mit einer Entscheidung über das Sorgerecht der Eltern vom 10.05.2016.

Am 23.08.2016 erließ das Gericht einen Beschluss, mit dem es den Erinnerungsführer zum Verfahrensbeistand bestellte. Es übertrug ihm auch die Aufgabe, mit den Bezugspersonen des Kindes Kontakt aufzunehmen und an einer einvernehmlichen Regelung mitzuwirken. Außerdem stellte es die Berufsmäßigkeit der Verfahrensbeistandschaft fest. Der Beschluss wurde mit einem Bedürfnis nach Klarstellung begründet, weil ein ausdrücklicher Bestellungsakt versehentlich unterblieben, der Erinnerungsführer aber im Auftrag des Gerichts als Verfahrensbeistand tätig gewesen sei.

Nach Einholung einer Stellungnahme der Bezirksrevisorin beim Landgericht Dresden, Anhörung des Erinnerungsführers und dienstlichen Äußerungen des Richters hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Riesa den Antrag des Erinnerungsführers auf Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung mit Beschluss vom 29.12.2016 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Erinnerungsführer mit einem am 03.01.2017 beim Amtsgericht Riesa eingegangenen Schreiben. Ihm sei die Rechtsansicht der Rechtspflegerin und der Bezirksrevisorin bekannt geworden. Deswegen lege er, „sofern die Auffassung vertreten wird, dass bereits ein entsprechender abschließender Beschluss erfolgt sein sollte, (…) vorsorglich gegen eine solche Entscheidung Beschwerde ein“. Der Beschluss der Rechtspflegerin ist dem Erinnerungsführer am 06.01.2017 zugestellt worden.

Wegen des weiteren Sachverhalts und wegen der Einzelheiten des Verfahrensgangs wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen.

II.

Die Erinnerung des Verfahrensbeistands gegen den Beschluss der Rechtspflegerin vom 29.12.2016 ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

  1. Die Erinnerung ist zulässig.
  2. a) Der Beschluss, mit dem der Vergütungsfestsetzungsantrag nach § 168 Abs. 1 in Verbindung mit § 158Abs. 7 FamFG zurückgewiesen worden ist, stellt eine Entscheidung in einer Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit dar, gegen die die Beschwerde statthaft ist (§ 58 Abs. 1 FamFG).
  3. b) Da der Beschwerdewert von 600,00 EUR nicht erreicht wird und die Beschwerde nicht zugelassen wurde (§ 61 Abs. 1 u. 2 FamFG), steht dem Verfahrensbeistand die Erinnerung nach § 11 RPflG zu (vgl. Hammer in Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., § 168 Rn. 1 f.).
  4. c) Der Erinnerungsführer, dessen Vergütungsfestsetzungsantrag zurückgewiesen wurde, ist – unabhängig von der Frage ob er im zugrundeliegenden Kindschaftsverfahren wirksam zum Verfahrensbeistand bestellt wurde – als Antragsteller im Festsetzungsverfahren beschwerdeberechtigt (§ 59 Abs. 1 u. 2 FamFG) und beschwert.
  5. d) Die Erinnerung ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 11 Abs. 2 RPflG). Zwar ist das entsprechende Schreiben des Verfahrensbeistands bereits vor der Zustellung der angefochtenen Entscheidung an ihn bei Gericht eingegangen. Das steht der Wirksamkeit der Rechtsbehelfseinlegung aber nicht entgegen (Abramenko in Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., § 63 Rn. 9; Guckes in Fröschle, Praxiskommentar Betreuungs- und Unterbringungsverfahren, 3. Aufl., § 63 FamFG Rn. 10 m.w.N.). Ausschlaggebend ist, dass der Wille, gegen die getroffene Entscheidung mit gesetzlichen Mitteln vorzugehen, erkennbar wird und dass zum Zeitpunkt des Eingangs des Rechtsbehelfs die anzufechtende Entscheidung bereits existiert hat, also nach § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG erlassen war. So ist es hier.
  6. Die Erinnerung ist auch begründet.

Dem Verfahrensbeistand steht eine Vergütung nach § 158 Abs. 7 Sätze 2 – 5 FamFG für seine Tätigkeit im Verfahren vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Riesa (Az.: 9 F 343/15) zu. Die Vergütung ist nach Festsetzung ihrer Höhe durch Gerichtsbeschluss aus der Staatskasse zu entrichten (vgl. Hammer, a.a.O., § 168 Rn. 33).

  1. a) Der Antragsteller war in einem Verfahren des Amtsgerichts – Familiengericht – Riesa als Verfahrensbeistand tätig. Dieses Verfahren begann erst mit der Terminierung durch das Amtsgericht Riesa, auch wenn das frühere Verfahren vor dem Amtsgericht Meißen schon bei Erteilung des Berichtsauftrags an das Jugendamt ein neues Aktenzeichen erhielt. Die reine Vorüberlegung, ob ein hinreichender Anlass besteht, die Aufrechterhaltung einer familiengerichtlichen Maßnahme eingehender zu überprüfen, stellt noch keinen neuen Verfahrensgegenstand dar (§ 166 Abs. 1 FamFG). Erst wenn das Gericht danach zur der Überzeugung gelangt, dass eine eingehendere Überprüfung durch gerichtliche Ermittlungen notwendig ist (§ 1696 Abs. 2 BGB, § 166 Abs. 3 FamFG), geschieht dies in einem neuen Vorgang (OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.01.2016 – 5 WF 20/16, FamRZ 2016, 926 f. = juris. Rn. 3 m.w.N.). Aufgrund der Anregung des Jugendamts, den bestehenden Eingriff in die elterliche Sorge nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern sogar seine Erweiterung zu prüfen, leitete das Gericht das neue Verfahren ein (§ 24 Abs. 1 FamFG). Für seine Tätigkeit in diesem Verfahren steht dem Erinnerungsführer die begehrte Vergütung zu (§ 158 Abs. 7 Satz 2 FamFG).
  2. b) Der Erinnerungsführer hat objektiv betrachtet die Aufgaben eines Verfahrensbeistands wahrgenommen (§ 158 Abs. 4 FamFG). Er hat die Jugendamtsberichte, die Schriftsätze der Beteiligten, die Verfügungen und Entscheidungen des Gerichts und das Sachverständigengutachten zur Kenntnis genommen, sich intensiv mit ihrem Inhalt auseinandergesetzt und dazu schriftlich und in den Erörterungsterminen mündlich im offenkundigen Interesse des betroffenen Kindes Stellung bezogen. Außerdem hat er regelmäßigen Kontakt zum Kind gepflegt, zwischen ihm und den Eltern, aber auch zwischen den Eltern auf der einen und dem Jugendamt und dem Heim auf der anderen Seite vermittelt. So hat der Erinnerungsführer sich nicht nur dafür eingesetzt, dass der Vater des betroffenen Kindes wieder Kontakt zu diesem aufnehmen konnte, sondern außerdem – über den Aufgabenbereich eines Verfahrensbeistands hinausgehend – mindestens einen Umgang organisiert und begleitet.

Schließlich wurde der Erinnerungsführer – entgegen der Stellungnahme des Jugendamts – zum Vormund eingesetzt. In der dieser Entscheidung vorausgegangenen Diskussion hatte das Gericht ausdrücklich die Frage problematisiert, ob die Übernahme der Vormundschaft mit dem Amt des Verfahrensbeistandes zu vereinbaren ist. Kein Beteiligter hat zu diesem Zeitpunkt in Zweifel gezogen, dass der Erinnerungsführer das Amt des Verfahrensbeistandes innehatte.

  1. c) Diese Tätigkeiten hat der Erinnerungsführer – objektiv betrachtet – berufsmäßig ausgeübt. Er ist – wie gerichtsbekannt ist – seit Jahren professionell als Verfahrensbeistand, Ergänzungspfleger und Vormund tätig. Aus dem Blickwinkel des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten war es daher offenkundig, dass der Erinnerungsführer auch im vorliegenden Fall nicht ehrenamtlich tätig wurde, zumal er schon im ursprünglichen, vor dem Amtsgericht – Familiengericht – Meißen geführten Kindschaftsverfahren ausdrücklich zum berufsmäßigen Verfahrensbeistand bestellt worden war.

Unmaßgeblich ist, dass eine ausdrückliche Feststellung der Berufsmäßigkeit fehlt. Das Gesetz sieht keine gerichtliche Anordnungsbefugnis über die Frage der Berufsmäßigkeit vor. Es handelt sich vielmehr um eine tatsächliche Voraussetzung für den Anfall der höheren Vergütung (§ 158 Abs. 7 Satz 2 ff. FamFG), deren Vorliegen spätestens bei der Vergütungsfestsetzung zu prüfen ist. Zwar ist die ausdrückliche Feststellung der Berufsmäßigkeit allgemein üblich und liegt sie vor, ist sie im Vergütungsfestsetzungsverfahren verbindlich, die Frage nach der Berufsmäßigkeit kann aber ebenso gut erst im Vergütungsverfahren beantwortet werden (vgl. Hammer, a.a.O., § 168 Rn. 23 m.w.N.). Wenn nicht schon die nachträgliche Feststellung der Berufsmäßigkeit im Beschluss vom 23.08.2016 genügte, so ist die Feststellung jedenfalls nun im Rahmen der Entscheidung über die Vergütung des Verfahrensbeistandes nachzuholen.

  1. d) Der Erinnerungsführer wurde durch das Gericht zum Verfahrensbeistand bestellt. Eine Verfahrensbeistandschaft wird begründet, indem das Familiengericht eine bestimmte Person zum Verfahrensbeistand des betroffenen Kindes bestellt. Durch diesen Bestellungsakt wird die ausgewählte Person als Beteiligter zum Verfahren hinzugezogen (§ 158 Abs. 3 Satz 2 FamFG).
  2. aa) Die Beantwortung der Frage, ob ein Verfahrensbeistand bestellt werden soll und welche Aufgaben er im Einzelnen zu übernehmen hat, sowie die Auswahl einer geeigneten Person erfordern eine bewusste Entscheidung des Gerichts. Nimmt jemand beispielsweise Aufgaben eines Verfahrensbeistands war, ohne dass das Gericht hiervon Kenntnis hat, kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass er Verfahrensbeistand war. Denkbar ist eine solche Konstellation zum Beispiel, wenn der ehemalige Verfahrensbeistand des bereits rechtskräftig abgeschlossenen Kindschaftsverfahren unaufgefordert prüft, ob eine Abänderung der Endentscheidung geboten ist. Das gilt selbst dann, wenn später tatsächlich ein Überprüfungsverfahren nach § 166 FamFG eingeleitet wird; erst in diesem neuen Verfahren kann ein Verfahrensbeistand bestellt werden.
  3. bb) Von dem Erfordernis einer bewussten Entscheidung des Gerichts ist aber die Frage, ob die Bestellung eines Verfahrensbeistandes ausdrücklich oder konkludent erfolgen oder abgelehnt werden kann, strikt zu trennen. Verfahrensrechtliche Anordnungen des Gerichts können auch durch schlüssiges Handeln getroffen werden. Das ist zum Beispiel bei der Übernahme von Verfahren allgemein anerkannt (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 30.10.2013 – 18 UF 208/12, juris Rn. 12; vgl. auch BGH, Beschluss vom 21.11.2012 – XII ZB 306/12, FamRZ 2013, 211 f. = juris Rn. 13). Davon macht § 158 FamFG keine Ausnahme.

(1) Eine bestimmte Form ist für die Verfahrensbeistandsbestellung nicht vorgesehen. Nach § 158 FamFG sind stattdessen andere Maßgaben zu beachten. So kann ein Verfahrensbeistand nur in Kindschaftssachen bestellt werden, die die Person des Kindes betreffen (§ 158 Abs. 1 FamFG). In bestimmten Fällen ist die Bestellung zwingend (§ 158 Abs. 2 FamFG). Sie hat bei Vorliegen der Voraussetzungen so früh wie möglich zu erfolgen (§ 158 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Für die Übertragung des erweiterten Aufgabenkreises sowie für einen Verzicht auf die Bestellung trotz gegebener Voraussetzungen nach § 158 Abs. 2 FamFG besteht jeweils ein Begründungszwang (§ 158 Abs. 3 Satz 3 u. Abs. 4 Satz 4 FamFG).

Die Schriftform ist – so zweckmäßig sie auch regelmäßig sein mag – hingegen nicht vorgeschrieben. Es steht dem Gericht somit frei, den Verfahrensbeistand mündlich zu bestellen sowie diesen Schritt gegebenenfalls in gleicher Weise zu begründen und den Umfang des Aufgabenkreises des Verfahrensbeistands festzulegen. Deshalb ist auch eine konkludente Verfügung des Gerichts als Bestellungsakt nicht ausgeschlossen (OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.11.2014 – 7 UF 1819/13, juris Rn. 14 m.w.N., kritisch: Menne, FamRB 2015, 171 ff.; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 19.04.2016 – 15 WF 170/15, FamRZ 2016, 1695 f., kritisch: Adamus, jurisPR-FamR 21/2016 Anm. 6 und Menne, FamRB 2016, 348 ff.; vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 27.05.2016 – 18 WF 1406/15, FamRZ 2016, 2030 f. = juris Rn. 9).

Kritische Stellungnahmen in der Literatur bedauern entweder die Folgen eines fehlenden Schriftlichkeitszwangs (insb. Menne, a.a.O.) oder weisen darauf hin, dass es in der Praxis schwierig sein dürfte zu erkennen, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine konkludente Bestellung eines Verfahrensbeistands erfolgt ist (insb. Adamus, a.a.O.). Dogmatische Bedenken gegen die Ansicht, dass formlose oder konkludente Verfügungen des Gerichts möglich sind, zeigen aber auch diese Stimmen nicht auf.

Die Kritik ist nicht unberechtigt. Insbesondere verfehlen mündliche oder konkludente Bestellungsakte die offenkundige Intention des Gesetzgebers, schon durch Art und Weise der Verfahrensbeistandsbestellung für Klarheit über die Befugnisse und Aufgaben des Verfahrensbeistands und auch hinsichtlich seiner Vergütung oder Auslagenerstattung zu sorgen. Aus diesen Gründen wird diese Entscheidung in aller Regel durch Beschluss getroffen, der den Verfahrensbeteiligten bekannt gemacht wird (Mayer, jM 2016, 272 (274)). Das bedeutet aber nicht, dass eine konkludente Verfahrensbeistandsbestellung unmöglich wäre.

(2) Im vorliegenden Fall hatte das Verfahren den Entzug der elterlichen Sorge zum Gegenstand. Dem Kind war nach § 158 Abs. 2 Nr. 2 FamFG darum zwingend ein Verfahrensbeistand zu bestellen. Eine bewusste Entscheidung, hiervon abzusehen, welche nach § 158 Abs. 3 Satz 3 FamFG gesondert zu begründen gewesen wäre, liegt nicht vor. Im Gegenteil ist der Erinnerungsführer mit der Absicht des Gerichts als Verfahrensbeistand des betroffenen Kindes tätig geworden.

Die sonst übliche Verfahrensbeistandsbestellung durch schriftlichen Beschluss ist hier nur deswegen zunächst unterblieben, weil das Gericht ein scheinbar laufendes Verfahren in der Annahme übernommen hatte, dass ein Verfahrensbeistand bereits bestellt worden sei und die Frage nach der Wirksamkeit seiner Bestellung sich erst im Vergütungsverfahren stellte.

(3) Entgegen der Ansicht der Bezirksrevisorin ergibt sich aus der obergerichtlichen Rechtsprechung nichts Abweichendes. Insbesondere ist auch nach Ansicht des Oberlandesgerichts München eine konkludente Bestellung des Verfahrensbeistands nicht generell ausgeschlossen; sie soll aus den bereits genannten Gründen und zur Vermeidung von Missbräuchen lediglich auf Ausnahmefälle beschränkt sein (OLG München, Beschluss vom 13.10.2016 – 11 WF 1092/16, FamRB 2017, 90 f. m. Anm. Menne = juris Rn. 10 ff.). Es kann hier dahinstehen, wie sich diese restriktive Auffassung dogmatisch rechtfertigen lässt, in Anbetracht der bereits geschilderten besonderen Umstände des vorliegenden Falls ist zumindest eine Ausnahme, wie sie auch das Oberlandesgericht München zulässt, gegeben.

(4) Mit Fallgestaltungen, in denen eine ausdrückliche Bestellung eines Ergänzungspflegers beziehungsweise eines Vormunds oder Umgangspflegers fehlt, ist die vorliegende schon wegen der unterschiedlichen Charaktere und Funktionen dieser Institutionen sowie wegen der besonderen Regelungen in § 158 FamFG nicht vergleichbar.

(5) Auf die Frage, ob die nachträgliche, deklaratorische Bestellung des Verfahrensbeistands durch Beschluss vom 23.08.2016 zeitlich zurückwirken kann, kommt es nicht an (vgl. dazu OLG München, Beschluss vom 19.08.2015 – 11 WF 1028/15, FamRZ 2016, 160 f. = juris Rn. 13). Die Ansicht, dass eine Rückwirkung stets ausgeschlossen sei, ist im Übrigen nicht unumstritten (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 27.05.2016 – 18 WF 1406/15, FamRZ 2016, 2030 f. = Rn. 13). Im vorliegenden Fall liegt jedenfalls eine rechtzeitige (konkludente) Verfahrensbeistandsbestellung vor.

(6) Es spielt hier auch keine Rolle, ob eine konkludente Verfahrensbeistandsbestellung durch ein Kollegialgericht denkbar ist (vgl. dazu OLG München, Beschluss vom 19.08.2015 – 11 WF 1028/15, FamRZ 2016, 160 f. = juris Rn. 22). Dogmatisch ist auch eine konkludente Verfahrensbeistandsbestellung durch einen Senat nicht von vorneherein ausgeschlossen, auch wenn dieser Vorgang in der Praxis schwer vorstellbar sein mag. Eine solche Konstellation liegt hier jedenfalls nicht vor.

  1. cc) Die Bestellung des Erinnerungsführers zum Verfahrensbeistand ist in seiner Ladung zum ersten Erörterungstermin zu sehen. Aus keinem anderen Grund konnte das Gericht seine Anwesenheit und aktive Beteiligung an der Erörterung verlangen oder erlauben. Insbesondere war er zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Vormund vorgesehen. Dass der Erinnerungsführer bewusst als Verfahrensbeistand an der Erörterung teilnehmen sollte, war für jeden verständigen Beobachter ersichtlich, zumal ihn die Verfahrensbeteiligten in dieser Funktion bereits im vorhergehenden Verfahren vor dem Amtsgericht Meißen erlebt hatten.

Im Original der richterlichen Ladungsverfügung vom 08.10.2015 wird der Erinnerungsführer mit seinem Namen und dem Zusatz „als Verfahrensbeistand des Betroffenen zu 1“ bezeichnet. Am 13.10.2015 hat das Gericht erstmals ein Telefongespräch mit dem Erinnerungsführer als Verfahrensbeistand geführt. Seinen ersten Bericht erstattete der Erinnerungsführer mit einem am 25.10.2015 eingegangenen Schreiben als „Stellungnahme des Verfahrensbeistandes“, den das Gericht im weiteren Verfahren und in seiner Endentscheidung ebenso wie alle späteren Beiträge des Erinnerungsführers als Handlungen eines ordnungsgemäß bestellten Verfahrensbeistands behandelt hat. Keiner der Verfahrensbeteiligten hat diese Funktion des Erinnerungsführers in Zweifel gezogen.

Damit hat das Gericht deutlich kundgetan, dass der Erinnerungsführer – soweit er nicht schon dazu bestellt war – Verfahrensbeistand des betroffenen Kindes sein sollte.

  1. e) Dem Verfahrensbeistand ist konkludent auch der erweiterte Aufgabenbereich des § 158 Abs. 4 Satz 3 FamFG übertragen worden. Schlüssige Handlungen des Gerichts, aus denen dies ersichtlich geworden ist, sind spätestens im Protokollvermerk über den Erörterungstermin vom 09.11.2015 festgehalten. Demnach hat das Gericht mit den anwesenden Beteiligten über die Frage gesprochen, wie der Kindesvater wieder in die Erziehung und Betreuung des Kindes einbezogen werden kann. Der Erinnerungsführer hatte einen vergleichsweise guten Zugang zum Kindesvater und schlug darum vor, einen Besuch des Kindes bei seinem Vater zu begleiten.

Dies hat das Gericht im Erörterungstermin vom 09.11.2015 ausdrücklich befürwortet und den Erinnerungsführer um einen anschließenden Bericht gebeten, den dieser auch erstattete. Später vermittelte der Erinnerungsführer zwischen dem Kinderheim und dem Kindesvater, da dieser dort Hausverbot hatte, und auch zum Jugendamt nahm der Erinnerungsführer Kontakt auf.

Damit hat der Erinnerungsführer erkennbar mit dem Willen des Gerichts Aufgaben übernommen, die nach § 159 Abs. 4 Satz 3 FamFG über den sonstigen Aufgabenkreis eines Verfahrensbeistands hinausgehen. Dadurch hat das Gericht deutlich gemacht, dass es dem Erinnerungsführer auch diese Aufgaben überträgt.

  1. f) Die Festsetzung des Vergütung und deren Auszahlung aus der Staatskasse ist auch deswegen vorzunehmen, weil das Gericht im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach §§ 168, 158 Abs. 7 FamFG an seine eigenen Vorgaben gebunden ist.
  2. aa) Die Bestellung des Verfahrensbeistands durch das Familiengericht ist für die Vergütungsfestsetzung ebenso bindend wie eine Feststellung der Berufsmäßigkeit oder Erweiterung des Aufgabenkreises. Der für die Vergütungsfestsetzung zuständige Rechtspfleger oder der im Erinnerungsverfahren zuständige Richter kann sich über diese früheren Entscheidungen nicht hinwegsetzen. Auch aus diesem Grund kann die Zurückweisung des Vergütungsfestsetzungsantrags hier keinen Bestand haben. Neben der – wie aufgezeigt vorliegenden – konkludenten Verfahrensbeistandsbestellung bindet auch der nachträgliche Beschluss die Entscheidungsträger im Vergütungsverfahren.

Das sieht auch das Oberlandesgericht München so, das sogar einen seiner Ansicht nach eindeutig rechtswidrigen Beschluss über eine Verfahrensbeistandsbestellung als für die Staatskasse verbindlich angesehen hat. Obwohl es die Ansicht vertrat, dass ein nachgeholter Beschluss nicht auf vorhergehende Tätigkeiten eines Verfahrensbeistands zurückwirken könne und dessen spätere Bestellung darum rechtswidrig sei, kommt es zu dem Ergebnis, dass dem Verfahrensbeistand die Vergütung nach § 158 Abs. 7 FamFG zustehe, weil die (nachgeholte) Verfahrensbeistandsbestellung unanfechtbar sei. Es sei lediglich fraglich, ob die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung des Verfahrensbeistands anschließend im Rahmen der Gerichtskostenabrechnung von dem Kostenschuldner zurückgefordert werden kann (OLG München, Beschluss vom 19.08.2015 – 11 WF 1028/15, FamRZ 2016, 160 f. = juris Rn. 20).

Im Rahmen der Vergütungsfestsetzung kann also nur noch geprüft werden, wann und in welchem Umfang der Verfahrensbeistand seine Aufgaben erfüllt hat. Liegt eine Entscheidung des Gerichts nach § 158FamFG aber vor, in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt auch immer, kann bei der Festsetzung der Vergütung des Verfahrensbeistands nicht mehr davon abgewichen werden. Die Grenze hierfür dürfte höchstens erreicht sein, wenn die Bestellung des Verfahrensbeistands so offenkundig rechtswidrig ist, dass sie keine Wirksamkeit entfalten kann. Das ist hier aber nicht der Fall.

  1. bb) Dieses Ergebnis folgt auch aus Vertrauensschutzaspekten (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.09.2013 – 2 WF 125/13, NZFam 2014, 618 = juris Rn. 26 bei Umgangspflegschaft), wie gerade der vorliegende Fall deutlich macht. Der Erinnerungsführer ist ersichtlich stets davon ausgegangen, ordnungsgemäß als Verfahrensbeistand bestellt worden zu sein, so dass er erwarten durfte, für seine Aufwendungen entschädigt zu werden und eine Vergütung für seine beruflich erbrachte Dienstleistung zu erhalten. Das Gericht hat seine Leistungen im Interesse des betroffenen Kindes entgegengenommen, ohne dass dem Erinnerungsführer bis zum Zeitpunkt der Vergütungsabrechnung signalisiert worden wäre, dass er hierfür nicht die gesetzlich vorgesehene Vergütung erhalten werde.

(1) Das Fehlen einer ordnungsgemäßen Bestellung musste dem Erinnerungsführer nicht auffallen. Nachdem er von der Einleitung eines Überprüfungsverfahrens nach § 166 FamFG erfahren hatte, ihm der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Meißen zuging, in dessen Rubrum er als Verfahrensbeistand des betroffenen Kindes bezeichnet wurde, und er daraufhin zum Erörterungstermin bei dem Familiengericht in Riesa geladen wurde, konnte er davon ausgehen, ordnungsgemäß bestellt worden zu sein. Zumindest kann ihm seine gesetzliche Vergütung nicht mit der Begründung versagt werden, er hätte das Gericht darauf hinweisen müssen, dass seine Bestellung in dem früheren Verfahren nicht mehr fortwirken kann.

(2) Ein Verzicht auf die gesetzliche Vergütung für eine – tatsächlich erbrachte und unbeanstandet entgegengenommene – Dienstleistung würde ein ungerechtfertigtes Sonderopfer des Erinnerungsführers darstellen. Das gilt selbst dann, wenn er auf dem ordentlichen Rechtsweg eine Entschädigung noch erstreiten könnte, denn sein geschütztes Vertrauen erstreckt sich nicht nur darauf, angemessen vergütet zu werden, sondern ebenso darauf, dass er seine Vergütung auf die in §§ 158 Abs. 7 in Verbindung mit § 168FamFG geregelte vereinfachte Weise – durch gerichtliche Festsetzung und Auszahlung aus der Staatskasse – erhält.

(3) Schließlich ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass der Erinnerungsführer im Ursprungsverfahren vor dem Amtsgericht Meißen auf seine beiden Anträge nur eine Vergütungspauschale nach § 158 Abs. 7 FamFG erhalten hat, obwohl sie ihm eigentlich zweifach zugestanden hätte. Denn dem Verfahrensbeistand durfte es nicht zum Nachteil gereichen, dass das Amtsgericht Meißen entgegen § 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG in demselben Verfahren sowohl eine einstweilige Anordnung erlassen als auch die Hauptsacheentscheidung getroffen hatte.

  1. cc) Dieses Ergebnis entspricht schließlich auch systematischen Überlegungen. Hielte man die Bestellung des Erinnerungsführers zum Verfahrensbeistand für unwirksam, müsste man seine gesamte Tätigkeit im Gerichtsverfahren als widerrechtlich ansehen. Er hätte dann datenschutzrechtswidrig vertrauliche Informationen erhalten, unberechtigt an nichtöffentlichen Verhandlungsterminen teilgenommen und sich durch seine Äußerungen zum Verfahrensgegenstand ein Amt angemaßt, das er nicht innehatte. Das Gericht hätte gegen § 158 Abs. 2 FamFG verstoßen und damit die Rechte des Kindes verletzt. In dieser Konsequenz hätte es die Äußerungen des Erinnerungsführers dann nicht als Stellungnahmen eines Verfahrensbeistandes verwerten dürfen.

Das würde dem gesamten Verfahren und dessen Ergebnis nicht gerecht. Auf diese Weise könnten kostenrechtliche Gesichtspunkte zur Anfechtbarkeit der getroffenen Endentscheidung führen mit der Folge, dass das betroffene Kind mit – objektiv betrachtet wohl wenig sinnvolle – weitere Verfahrensabschnitte konfrontiert werden könnte.

  1. Im Ergebnis ist die gesetzliche Vergütung des Erinnerungsführers als berufsmäßig tätigen Verfahrensbeistand mit erweitertem Aufgabenkreis festzusetzen. Die angefochtene Entscheidung der Rechtspflegerin war entsprechend abzuändern.

III.

Gerichtskosten fallen im Erinnerungsverfahren nicht an. Für eine Erstattung außergerichtlicher Auslagen der Beteiligten fehlt es an einer Rechtsgrundlage.

Das Gericht lässt die Beschwerde gegen seine Entscheidung zu, weil die Frage, ob der Verfahrensbeistand auch konkludent bestellt werden kann, obergerichtlich nicht abschließend geklärt ist.

 

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